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NEWS

   
März: Woran erkennt man eigentlich:

1. Ob ein Pferd auf der Vorhand läuft?
2. Ob die Hinterhand aktiv ist?
3. Ob es taktrein ist?
4. Ob es über den Rücken läuft?

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Beurteilung der Gangqualität eines Pferdes (Bsp. Jog/Trab)
 
Vorhandlastigkeit – Taktreinheit – Nutzung des Rückens

Nicht selten werde ich gefragt, woran man eigentlich erkennt, ob ein Pferd auf der Vorhand läuft, ob es aktiv in der Hinterhand ist, ob es taktrein ist und/oder über den Rücken läuft. Deshalb widme ich diesem Thema heute einen Beitrag. Es gibt sehr viele Punkte, auf die man beim Pferd achten sollte, um diese Aspekte zu beurteilen. Man könnte ganze Bücher drüber schreiben, weshalb ich mich hier zunächst auf die „Beinarbeit“ des Pferdes im Jog/Trab konzentrieren werde, denn der ist am einfachsten zu beurteilen. Dazu werden ein paar Silhouetten-Beispielbilder verwenden. Es sei daher vorweg gesagt, dass Fotos nicht überinterpretiert werden sollten, sondern das Gesamtbild des Pferdes/Rittes zählt. Jedoch veranschaulichen Bilder gut, worauf zu achten ist. Sieht man diese Mängel in einem Ritt häufiger oder dauerhaft ist erst dann von Vorhandlastigkeit, fehlender Aktivität in der Hinterhand, Taktunreinheit oder festem Rücken zu sprechen, denn in jedem noch so harmonischen und guten Ritt kann es aus unterschiedlichen Gründen z.B. zu kurzzeitigen Anspannungen kommen, die in Momentaufnahmen ebenso unvorteilhaft aussehen können.

Klären wir zunächst, was wir in einem Jog oder Trab sehen wollen: Als Beispielbild haben wir hier ein Pferd im Jog. Der Jog und der Trab sind ein 2-Takt, bei dem die diagonalen Beinpaare (Bild 1A: vorne links – hinten rechts [grün] und vorne rechts – hinten links [gelb]) immer zeitgleich auf dem Boden aufkommen und auch sich wieder vom Boden abheben sollen (Bild 1A). Ist dies der Fall, läuft das Pferd im Takt. Stellt man sich zwischen den Vorder- und Hinterbein ein V vor (Bild 1B: blaues V), und zwar in dem Moment, wenn sich die gleichseitigen Beinpaare am Nächsten kommen, sollte dieses V symmetrische Schenkel haben. Kippt jedoch die Spitze des V’s nach hinten und die obere Öffnung des V’s nach vorne, läuft das Pferd eher vorhandlastig und die Hinterhand tritt nicht weit genug unter, was nicht selten bei Jungpferden zu sehen ist, denen die Balance noch fehlt. Dann haben wir auf Bild 1B noch die roten umgedrehten V’s. Diese sollten ebenfalls gleichgroß und symmetrisch sein, was bedeutet, dass das Pferd mit Vor-und Hinterhand gleichgroße Schritte macht und gut genug untertritt. Diese V’s werden oft zunehmend ungleichgroß, sobald sich Taktfehler einschleichen. Wenn wir schon beim Untertritt sind, geht es weiter mit den roten gestrichelten Linien von Bild 1C. Die hintere Linie fällt ein Lot vom Kniegelenk aus und die vordere Linie vom Buggelenk aus. Das Pferd sollte in der Bewegung, egal ob im Trab oder den weniger raumgreifenden Jog, immer über diese Linien hinaus treten. Dann hat es einen „guten Untertritt“. Das sollte auf geraden und gebogenen Linien der Fall sein. Verliert das Pferd auf gebogenen Linien den Untertritt, hat es sich auch nicht reell gebogen. Die Bewegungen der Hufe sollten von der Seite betrachtet in der Luft eine immer gleichmäßig kreisende Bewegung vollziehen (Bild 1C: grüne Pfeile) ohne in der Luft zu verharren, das Tempo zu ändern, oder andere „Schlenker“ zu vollziehen. Nur dann bewegt sich das Pferd mit ausreichend Kraft aus der Hinterhand heraus. Weiterhin kann man auf die Parallelität der hinteren Röhre und des Oberarms des diagonalen Vorderbeins achten (Bild 1D: gelbe Linien), die in jeder Bewegungsphase beibehalten werden sollte. Nur dann ist die Hinterhand aktiv genug. Zudem sollten die Hufspitzen auf den Punkt zeigen, wo sie auffußen werden. Zeigen sie weit vor dem Punkt des Auffußens, sind die Tritte verspannt (z.B. bei schlecht gerittenen Trabverstärkungen in der Dressur zu sehen; besonders in den Vorderbeinen). Zeigen die Hufspitzen hinter den Punkt des Auffußens, fehlt die Versammlung. Das Pferd fällt auseinander (z.B. vor allem im Hinterbein zu sehen, wenn Pferde ohne Versammlung deutlich zu langsam geritten werden).

Bild 1: Pferd im Jog. Was zeichnet einen guten Jog/Trab aus? A) Der Takt; die diagonalen Beinpaare sollten stets zeitgleich auf- & abfußen. B) Die gebildeten V’s zwischen den Voder-/Hinterbeinen (rot), sowie zwischen Vor- & Hinterhand (blau) soll-ten symmetrisch und die roten V’s gleichgroß sein. C) Die Beine sollten in der Luft immer eine gleichmäßig kreisende Bewegung vollziehen (grüne Pfeile); die Beine sollten zum Auffußen vor das Lot am Kniegelenk bzw. Buggelenk geführt werden (gestrichelte rote Linien). D) Die Parallelität der hinteren Röhre & des Oberarms des diagonalen Vorderbeins sollten in jeder Phase gegeben sein (gelbe Linien).

Ein Beispiel zum Blickschulen ist in Bild 2 dargestellt. Alle 3 Pferde sind ein und dasselbe Pferd. Bild 2A zeigt es in jungen Jahren freilaufend. Positiv fällt auf, dass die Parallelität der Röhre und des diagonalen Oberarms gegeben ist (gelbe Linie). Über den Takt könnte man hier streiten (grüne Kreise). Dieser könnte leicht gestört sein (linkes Hinterbein wirkt näher am Boden). Eine Aufnahme einer späteren Trabphase wäre in dem Fall aufschlussreicher. Deutlicher zu sehen ist, dass das linke Hinterbein gerade so über das Lot (rote gestrichelte Linie) am Kniegelenk tritt und mit dem rechten Hinterbein weit hinten heraus tritt, also aus dem Lot am Sitzbeinhöcker (blaue gestrichelte Linie). Wenn ihr euch die roten V’s aus Bild 1B nun in Bild 2A zwischen den Vorder- und Hinterbeinen vorstellt ... korrekt, die wirken ungleichgroß. Vorne größer als hinten. Und wenn ihr euch das blaue V aus Bild 1B in Bild 2A reindenkt, merkt ihr, dass es mit der oberen Öffnung etwas nach vorne kippt. Das Pferd wirkt insgesamt etwas vorhandlastiger mit reduziertem Untertritt. Das kann daran liegen, dass es noch jung und nicht so im Training ist und es auf diesem Bild zudem in einer gewissen Anspannung läuft. Etwas später, mit ein wenig Training, seht ihr dasselbe Pferd geritten in gleicher Trabphase (Bild 2B). Die Parallelität der hinteren Röhre und des diagonalen Oberarms (gelbe Linie) sind weiterhin gegeben. Das Pferd führt nun das linke Hinterbein gut eine Huflänge weiter über das Lot am Kniegelenk (rote gestrichelte Linie) und somit weiter unter den Körper. Gleichzeitig reduziert sich der Austritt des rechten Hinterbeins. Es bleibt am Lot des Sitzbeinhöckers (blaue Linie). Ein paar Sekunden später in der Trabphase (Bild 2C) ist auch deutlich erkennbar, dass der Takt auf jeden Fall gegeben ist (grüne Kreise), denn die diagonalen Beinpaare fußen gleichzeitig auf und ab. Hier ist auch das baue V zwischen der Vor- und Hinterhand eingezeichnet, das nun sehr symmetrisch wirkt und nicht mehr kippt. Stellt ihr euch die umgedrehten roten V’s zwischen den Vorder- bzw. Hinterbeinen vor, stellt ihr fest, dass auch diese nun gleichgroß und symmetrisch sind.
Bild 2: Entwicklung eines Pferdes vom wenig trainierten Jungpferd (A) zum trainierten Reitpferd mit mehr Untertritt und Takt (B, C).

Zwei weitere Beispiele sind in Bild 3 zu sehen. Bild 3A zeigt ein Pferd, bei dem die Parallelität der hinteren Röhre und des diagonalen Oberarms stimmig ist (gelbe Linien). Eine kleine Ungereimtheit ist im Takt zu finden (grüne Kreise). Während sich das Bein vorne links noch am Boden befindet, ist hinten rechts bereits in der Luft. Das zeitgleiche Abfußen ist somit nicht gegeben und der Takt ist demnach in dieser Momentaufnahme nicht stimmig. Dadurch, dass vorne links länger am Boden bleibt kippt unser blaues V zwischen Vor- und Hinterhand dezent nach vorne. Ein Pferd, das in jedem Moment so läuft, ist eher vorhandlastig. An der Stärkung der Hinterhand muss gearbeitet werden. Ist der Takt dauerhaft auf diese Art gestört, ist zudem eine dezente Reduktion des Tempos/Raumgriffs zu empfehlen, damit das Pferd den Takt wieder findet. Es hat noch nicht die Kraft in der Hinterhand den geforderten Raumgriff taktrein zu zeigen. Bild 3B zeigt ein Pferd, wo man vielleicht kritisch an der Form der Kopf-Hals-Haltung hängen bleiben würde. Aber was passiert dabei eigentlich „Unten herum“? Die Parallelität der hinteren Röhre zum diagonalen Oberarm ist leicht gestört (gelbe Linien sind parallel zueinander eingezeichnet, jedoch weicht das Hinterbein leicht von der Linie ab). Weiterhin haben wir hier nun den Fall, dass die Hufspitze des linken Hinterbeins nicht mehr da hinzeigt, wo es auffußen wird, sondern dahinter. Im Bewegungsablauf wird sehr wahrscheinlich ein Verharren/Reduzieren des Tempos des Hufes in der Luft sichtbar werden. Der Takt ist deutlich gestört (grüne Kreise). Vorne rechts beginnt den Boden zu berühren, während hinten Links sich noch deutlich in der Luft befindet. Ein klarer Taktverlust. Durch die Überdehnung und den Zug der Nacken- und Rückenbänder nach vorne, wird die Darmbeinschaufel (sitzt da, wo der weiße Pfeil beginnt) auch nach vorne gezogen und folglich die Hinterhand nach hinten raus. Das Pferd kann die Hinterbeine nicht mehr über das Lot am Kniegelenk (rote gestrichelte Linie) unter den Schwerpunkt führen und tritt demnach nicht mehr weit genug unter. Es wird vorhandlastig. Durch die Überdehnung der Oberlinie, die die Hinterhand am Untertreten hindert, resultiert auch die Störung der Parallelität von der hinteren Röhre zum diagonalen Oberarm. Ein Teufelskreis!
Bild 3: Beispiel-Momentaufnahmen: A) Dezenter Taktverlust und Vorhandlastigkeit. B) Klarer Taktverlust, Verlust des Untertritts, Vorhandlastigkeit.

 

Schlusswort: Abhängig vom Körperbau/Gebäude und Trainingszustand fällt es einigen Pferden leichter, anderen Pferden schwerer einen perfekten Trab zu zeigen. Weitere Ursachen für Fehler oder Defizite im Gangbild können Verspannungen sein, die unterschiedlichste Ursachen haben können. Verspannungen, insbesondere in der Oberlinie, führen dazu, dass die Bewegung nicht von hinten nach vorne durch das Pferd schwingen kann. Das Pferd läuft nicht über den Rücken, was sich negativ auf das Gangbild auswirken wird (Die Beurteilung, ob ein Pferd über den Rücken läuft, ist natürlich deutlich umfangreicher und würde daher den Rahmen hier sprengen). Aufgabe des Trainings ist es diese Defizite zu erkennen und mit kontinuierlichen Training das Pferd zu stärken und Verspannungen zu lösen, damit der Bewegungsimpuls kraftvoll aus der Hinterhand heraus quasi bis in die Nasenspitze und Hufspitze der Vorderbeine schwingen kann. Was zählt, ist das Gesamtbild in der Bewegung. Eine einzelne Momentaufnahme eines Rittes kann helfen den Blick zu schulen, reicht alleine aber nicht aus, um das Gangbild eines Pferdes vollends zu beurteilen.
Je mehr Momentaufnahmen von einem Ritt gleiche Defizite zeigen, desto wahrscheinlicher ist es natürlich, dass auch das Gesamtbild nicht stimmig ist.


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